Tiertransport-Kontrollwoche auf der A 3
Von Elisabeth Kollmeier und Uli Leschinski
Was bringt die "Tierschutztransport- verordnung" den Tieren und wie wird sie umgesetzt? Diese Frage zu klären war das Ziel der Aktionswoche vom 13. bis 16. Juli 1999, die von Kurt Schmidinger, der nun für "Vier Pfoten" arbeitet, organisiert wurde, und an der sich auch Mitglieder der IGT beteiligten. Gemeinsam mit Polizei und Amtsveterinären sollten Tiertransporte kontrolliert werden. Unterstützung fand die Aktion durch die Mitarbeit des ehemaligen Cloppenburger Amtstierarztes Dr. Focke, der selbst schon zahlreiche Transporte begleitet hat und für seinen unermüdlichen Kampf gegen grausame Tiertransporte bekannt ist.
Durch die Sperrung des Tauerntunnels (nach dem verheerenden Brand, bei dem auch Tiere auf zwei Tiertransportern umkamen) verlagerte sich der internationale Tiertransport in diesem Sommer auf die A 3. Wir nahmen den Abschnitt Nürnberg - Regensburg - Deggendorf - Passau ins Visier.
Was diese Transporte, ohne ausreichende Versorgung und Pausen, für die Tiere bedeuten, ist inzwischen wohl hinlänglich bekannt. Wenn die Tiere den genannten Streckenabschnitt passieren, so ist das erst der erste Tag ihrer tage- und wochenlangen Reise in den Tod. Es geht ihnen also noch verhältnismäßig gut. Trotzdem ist gerade dieser erste Tag entscheidend für ihr weiteres Schicksal, denn nur gesunde Tiere haben eine Chance die weitere Fahrt und die weiteren Verladungen einigermaßen unbeschadet zu überstehen. Verletzte und geschwächte Tiere hingegen werden oft mit Seilwinden, Staplern oder unter Einsatz elektrischer Viehtreiber auf die Schiffe, die in den Mittelmeerhäfen auf sie warten, verfrachtet. Von dort aus geht es weiter in den Libanon, die Türkei, nach Jordanien oder Nordafrika. Für die Exporteure sind diese Ferntransporte ein lohnendes Geschäft. Für jedes Tier das aus dem EU-Raum hinaus geht, werden sie aus Brüssel mit ca. 800 Mark pro Tier "belohnt". Zusätzlich zum Verkaufserlös, versteht sich.
Subventionen, also unser Steuergeld, sind der große Anreiz für diese Tierquälerei im großen Stil!
Wir wollten feststellen: Ob und wie regelmäßig Tiertransporter von Polizei und Amtsveterinär kontrolliert werden, ob die Polizei für diese Kontrollen ausgebildet ist, wie der Zustand der Tiere und der Transportfahrzeuge ist und ob es Versorgungsstationen für die vorgeschriebenen Ruhepausen in Bayern gibt.
Ergebnis der Kontrollen
Als Erstes wird, auf unsere Initiative hin, ein in Niedersachsen mit weiblichen Zuchtrindern beladenes Fahrzeug von der Autobahnpolizei Deggendorf gestoppt. Gemeinsam mit dem zuständigen Amtstierarzt Dr. Faustmann, Dr. Focke und der Polizei werden Fahrzeug und Tiere kontrolliert. Wie sich herausstellt ist das Zielland Jordanien. Die Tiere haben also noch eine tagelange Schiffsreise und einen weiteren LKW-Transport vor sich. Der Transport ist zum Zeitpunkt der Kontrolle bereits 11 Stunden unterwegs. Die Decken des doppelstöckig beladenen LKW sind so niedrig, daß die Tiere mit dem Rücken fast anstoßen. Trotz weiterer Mängel (z. B. verschmutzte Tränkebecken) durfte der Transporter ungestraft weiterfahren, nachdem die Decken des LKW etwas hochgefahren worden sind. Für Amtsveterinär Dr. Faustmann war dies nach eigener Aussage die erste Kontrolle eines Tiertransportes - und das nach mehrjähriger Berufszeit. Eine vielsagende Bilanz.
Wenige Stunden später wird man am Rasthof "Bayerischer Wald" erneut fündig. Hier stehen ein Schweinetransporter aus Belgien und ein Rindertransport. Im Schweinetransporter sehen wir zahlreiche Tiere mit blutigen Hautabschürfungen, die sie sich vermutlich gegenseitig zugefügt haben. Für die überzüchteten, streßanfälligen "Industrieschweine" sind diese Transporte besonders belastend. Da der Fahrer des Rindertransports unsere Anwesenheit bemerkt und daraufhin überraschend losfährt, entschließen wir uns, ihn zu verfolgen und können den Schweinetransporter nicht kontrollieren lassen. Den Rindertransport lassen wir wieder von der Polizei Deggendorf stoppen. Ein Rind hat ein abgebrochenes Horn und blutet stark. Der LKW wurde in der Nähe von Magdeburg abgefertigt. Da er über keine Belüftung verfügt und somit nicht als Spezialfahrzeug gilt, dürfte er nur max. 8 Stunden unterwegs sein, worauf er eine 24-stündige Ruhepause mit Abladen der Tiere einlegen müßte. Er ist jetzt bereits seit 10 1/2 Stunden unterwegs, hat die erlaubte Transportdauer also um mehr als 2 Stunden überschritten. Die Veterinäre entscheiden, es sei für die Tiere besser, sie weiter zum Zielort Linz fahren zu lassen, als auf die 24-stündige Pause zu bestehen, zumal dafür keine Versorgungsstation in der Nähe vorhanden ist. In ganz Bayern existieren nur in Werneck bei Schweinfurt und Eslarn bei Waidhaus geeignete Einrichtungen. Eine weitere in Österreich in Bergheim bei Salzburg. Alle Stationen sind weitab der A 3, auf der wir kontrollieren und sind erfahrungsgemäß nur schwach frequentiert. Auch dieser Rindertransport setzt seine Fahrt ohne Anzeige fort.
Mit der Autobahnpolizei Regensburg kontrollieren die Akteure vor Ort einen Transport mit 30 Zuchtrindern. Der LKW in Osnabrück beladen, hat als Zielland Jordanien. Die Fahrer geben an, die einstündige Versorgungspause (nach 14 Stunden Transport) in Hengersberg einzulegen. Wir fahren nach und können feststellen, daß die Tiere tatsächlich versorgt werden.
Ein großer Schweinetransporter aus Belgien wird entdeckt und die Regensburger Polizei verständigt. Die Wasserversorgung ist abgestellt, die 200 Schweine sind während ihrer bisherigen 9-stündigen Fahrt unversorgt geblieben. Die Einstreu ist sehr dürftig. Die gesamte Ladefläche des dreistöckigen Fahrzeugs beträgt 110 qm, pro Tier bleiben also 0,55 qm. Drangvolle Enge für die Tiere, doch die zur Verfügung stehende Fläche pro Tier entspricht genau den Mindestanforderungen für ausgewachsene Schweine gemäß der TSchTVO. Der LKW darf weiterfahren, eine Anzeige des Landratsamtes wegen fehlender Tränkemöglichkeit wird aber folgen.
Eine Anzeige erhält auch der nachfolgende Schweinetransport von Cloppenburg nach Vilshofen, bei dem ebenfalls die Tränken außer Betrieb gesetzt wurden. Die Schweine auf diesem Fahrzeug zeigen extreme Streßsymptome, haben sich zum Teil bereits gegenseitig verletzt. Viele Tiere kauern auf den Hinterbeinen, dem Kreislaufkollaps nahe. Den Tieren zuliebe lassen wir den Transport, der nicht mehr weit vom Zielschlachthof entfernt ist, fahren. Für diese Tiere ist die Schlachtung vermutlich eine Erlösung.
Die Teams kontrollieren noch weitere Rindertransporte, darunter auch einen aus Aurich in Norddeutschland mit Ziel Libanon. Der mit 33 Schlachtrindern beladene LKW hat lt. Papieren bereits eine einstündige Versorgungspause in Eßleben bei Werneck hinter sich. Ob die Tiere tatsächlich versorgt worden sind, ist für uns nicht nachvollziehbar. In den vergangenen Jahren wurden - auch von der IGT - mehrere Fälle dokumentiert, bei denen Versorgungsbestätigungen "erkauft" wurden, ohne daß die Tiere tatsächlich gefüttert und getränkt worden waren. Wir können diesem Transporter keine Übertretung der leider viel zu laschen Gesetze nachweisen und müssen ihn weiterfahren lassen.
Fazit: Positiv war die Bereitschaft der Polizei, gemeinsam mit uns zu kontrollieren. Leider mußte aber festgestellt werden, daß kein Beamter auch nur annähernd über die aktuelle Gesetzeslage bei Tiertransporten informiert ist. Alle waren mit der Kontrolle von Tiertransporten - auch nach eigenen Angaben - überfordert. Zudem zeigte sich, daß ohne Zutun der Tierschützer Tiertransporte nur im Rahmen der üblichen Schwerlastverkehrskontrollen überwacht werden, also nur sporadisch. Werden Überschreitungen der Transportdauer festgestellt oder befinden sich auf dem Transport kranke oder schwer verletzte Tiere, die umgehend behandelt oder notgetötet werden müßten, steht trotzdem keine geeignete Einrichtung zur Verfügung. Am schlimmsten aber: Die aktuelle Gesetzeslage bietet kaum Möglichkeiten, gegen die tierquälerischen Ferntransporte von Tieren einzuschreiten.
Unsere Forderungen lauten:
- Schlachttiere dürfen nur noch bis zum nächsten Schlachthof transportiert werden. Jeder Weitertransport darf nur noch in Form von Fleisch gestattet werden.
- Subventionen für den Export lebender Tiere in Drittstaaten müssen sofort eingestellt werden, unabhängig davon ob es sich um Schlacht-, Zucht- oder Nutztiere handelt.
- Für Zucht- und Nutztiertransporte müssen Kontrollorgane geschaffen werden, um effektive Kontrollen zu gewährleisten - Versorgungsstationen müssen dringend errichtet werden.
Elisabeth Kollmeier - Uli Leschinski
(Mit freundlicher Genehmigung aus "IGT informiert" Heft 4)