'Ausländer raus!'
Mit Ausrufen wie "Tötet Kohl!" und "Tötet Schüssel!" in Theaterstücken machte er von sich reden. Mit "Chance 2000" brauchte er etwas frischen Wind in die deutsche Parteienlandschaft, scheiterte jedoch bei den Bundestagswahlen 1998 kläglich an der 5-Prozent-Hürde. Nun sorgt er mit einer neuen Provok-Aktion für Schlagzeilen. Die Rede ist von Regisseur Christoph Schlingensief. Die Aktion trägt den Namen "Bitte liebt Österreich" und soll verdeutlichen, was nach Meinung des Initiators geschähe, wenn man manche Aussagen der nunmehr mitregierenden FPÖ und beim Wort nähme.
Auf dem Wiener Herbert-von-Karajan- Platz, direkt neben der weltberühmten Staatsoper und in unmittelbarer Nachbarschaft zur sowohl von Touristen als auch von Einheimischen vielbesuchten Kärtner Straße, ließ Schlingensief einen weißen, vergitterten Container aufstellen. Dort lebten eine Woche lang mehrere, angeblich echte Asylanten. Jeder Passant konnte sie beobachten, auch übers Web wurden per Webcam ständig aktuelle Momentaufnahmen aus dem Inneren des Containers wie von der Umgebung frei Haus geliefert. Über Telefon oder Internet wurden, ganz in Big-Brother-Manier, jeden Tag zwei Asylanten zur Abschiebung gewählt. Die Abschiebung fand um 20 Uhr statt. Der Asylant, der zum Schluss übrig blieb, sollte eine Österreicherin heiraten und so im Land bleiben dürfen.
Die Aktion war schon im Vorfeld heftig umstritten. Von Grenzen der künstlerischen Freiheit wurde gesprochen und von dem falschen Bild, das nichtsahnende Touristen von Österreich behalten würden, die ja nicht wissen konnten, dass dies eine absichtliche Provokation eines regierungskritischen Künstlers sein sollte. Manche Leute hielten das Ganze fälschlicherweise sogar für echte Ausländerhetze. So war es ja auch vom Initiator beabsichtigt: Der hatte unter den am Container befestigten Banner "AUSLÄNDER RAUS" das Logo des Boulevardblattes "Neue Kronen Zeitung" und an allen Wänden massig Wahlplakate und Zitate der FPÖ aufhängen lassen, um vorzutäuschen, es handle sich um eine reale, xenophobe Aktion dieser Organisationen. Einer besorgten Reiseführerin sagte er sogar, er selbst sei von der FPÖ, woraufhin diese zwar "Aber das kann doch nicht wahr sein!" gerufen habe, doch die Weise, wie sie das getan habe, habe ihre Unsicherheit deutlich zu erkennen gegeben.
Am Donnerstag Abend wurde die Aktion sogar von linken(!) Demonstranten angegriffen. Schlingensief schrieb dazu in seinem "Containerreport" in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 17. Juni: "2000 Menschen kamen um die Ecke - die übliche Donnerstagsdemonstration der Regierungsgegner. Sie rissen erst die Balustrade ein, dann stellten sie Leitern an die Container, kletterten aufs Dach und versuchten unter dem Jubel der Anwesenden das FPÖ-Schild kaputtzutreten - das ist aber ein kräftiges Schild. Schließlich haben sie den Container gestürmt - die Asylbewerber hatten Todesangst. Wir mussten sie richtig beruhigen."
"Bitte liebt Österreich" konnte am Samstag dennoch programmgemäß beendet werden. Der Sieger des Wettbewerbes ist ein Mann aus Sri Lanka. Er bekam schwarze und blaue Luftballons und 35000 Schilling (etwa 8000 DM) in Bar. Es haben sich angeblich auch schon mehrere Heiratswillige gefunden. Das durch die Demonstranten demolierte Schild mit der Aufschrift "Ausländer raus" soll indes demnächst in einem New Yorker Museum ausgestellt werden.
Da ich das seltene Glück habe, in Wien zu leben, habe ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, auch 'ne halbe Stunde beim Container vorbeizusehen. Viel gab es da zunächst zwar nicht zu sehen, außer einigen wildgewordenen Pensionisten, die Zuschauer anrempelten, und einem cholerischen Angehörigen der Arbeiterklasse, der sich, umringt von Kameras, lebhaft über Bonzentum, geringe Pensionen und angebliche Massen von Ausländern aufregte. Es stellte sich heraus, dass das an der frühen Morgenstunde lag, zu der ich dort war. Die Show hatte noch nicht begonnen. Gerade als ich wieder gehen wollte, bestieg jedoch Schlingensief in persona das Dach des Containers und verkündete, jetzt sei Turnen angesagt. Die Asylanten kamen hinter ihm hergetrottet und mussten in der prallen Sonne ihre Liegestütz, Sit-ups, Kniebeugen usw. in strengem Rhythmus ableisten. Es wirkte ein bisschen gekünstelt und lächerlich heiter. Ich hätte mir eher eine Simulation eines Konzentrationslager erwartet oder etwas ähnlich Drastisches. Aber wie auch immer, wenn solche Sachen genügen, um das biedere österreichische Gemüt aufzurütteln, soll es mir auch recht sein. Ich ging dann einige englische Bücher kaufen, das war spannender. Jedenfalls habe ich von diesem Kurzausflug ein paar Fotos mitgebracht, die ihr hier nun exklusiv im Hugi.GER bewundern könnt. Ist ja immerhin etwas.
Die Website www.auslaenderraus.at soll übrigens binnen dreißig Minuten über 70000 Hits gehabt haben, was einen Zusammenbruch des Servers zur Folge hatte.