Scorpes Märchenstunde
Haha, das ist vielleicht ne Story, sag ich Euch! Also, alles fing damit an, dass Hänsels und Gretels Vater unbedingt diese neue Digital-Videokamera haben musste. Nicht, dass er nicht schon eine Kamera gehabt hätte, aber nein, es musste natürlich unbedingt so eine Digital-Kamera sein, so eine wie der Egon Maisenbacher aus seinem Kegelclub hatte. Tja, nur woher die nötigen Kröten nehmen? Das Haus war bereits mit vier Hypotheken belastet, die örtliche Bank in dieser Woche bereits 10x überfallen worden und bis auf den letzten Taler ausgeraubt (tja, digitale Videokameras waren halt zu der Zeit in). Da hatte Sohnemann Hänsel die Idee: "Papa", sagte er, "hinter unserem Haus ist doch der große dunkle Wald. Und was gibt es in großen, dunklen Wäldern an jeder Ecke? Hexenhäuser natürlich! Ich stelle mir das so vor: Gretel und ich ziehen morgen los, klappern alle Hexenhäuser ab, schmeißen die Hexe in den Ofen und kassieren das Gold, das in Hexenhäusern immer so rumliegt!" "Und wo ist der Haken?", wollte der Vater wissen. "Der Haken, lieber Vater", antwortete Hänsel, "sind die fünfzig Prozent, die wir als Provision kassieren!" "Fünfzig Prozent??? Ausgeschlossen! Höchstens fünfundzwanzig!" "Fünfzig! Oder vergiss es!" "Fünfundzwanzig!" So ging das eine Weile hin und her, bis man sich schließlich auf siebenunddreißig Prozent plus Gefahrenzulage bei gleichzeitiger Erhöhung des Taschengeldes einigte. Und so zogen dann Hänsel und Gretel am folgenden Tage los, um das Gold zu besorgen. Damit sie nachher auch wieder nachhause fänden, legte Hänsel dicke Backsteine aus (ne, diesen Fehler mit den Brotkrumen wie die Kids aus seinem Märchenbuch wollte er nicht machen). Nur was Hänsel leider nicht wissen konnte, war, dass die alte Frau Eschenthal just an diesem Tag aus dem Altersheim getürmt war und jetzt den Wald unsicher machte. Da es mit ihren Augen nicht mehr ganz so dolle war, hielt sie die Steine natürlich für Steinpilze und sammelte sie alle nacheinander ein. Es ist doch immer dasselbe... Inzwischen etwas tiefer im Wald war die Stimmung auf den Nullpunkt gesunken. Denn viel war von den einst abertausenden von Hexenhäusern an jeder Ecke nämlich nicht übrig geblieben. Denn wie gesagt, digitale Videokameras waren zu der Zeit gerade der Renner, und so war es nur logisch, dass schon vor Hänsel gewitzte Sohnemänner mit zu niedrigem Taschengeld auf dieselbe Idee gekommen waren! Stellenweise fanden sich noch einige übrig gebliebene Pfefferkuchentrümmer oder Zuckerlachen und glücklicherweise manchmal auch noch das eine oder andere verlorene Goldstück, so dass sich Hänsels Laune wieder ein wenig besserte. Schließlich, an der dunkelsten und verwinkelsten Ecke fand sich dann auch tatsächlich noch ein völlig intakt wirkendes Hexenhaus, das die anderen Goldgierigen wohl übersehen haben mussten. Die dort ansässige Hexe war allerdings alles andere als begeistert, dass man sie bei ihrem Mittagsschlaf störte. "Wenn ihr Gold sucht", näselte sie, "dann habt ihr euch geschnitten! Eher verwandele ich euch in zwei häßliche Kröten und verkaufe euch an die Backstreet Boys!" "Das könnte dir so passen, Alte, wa?" meinte da nur Hänsel. "Los, ab in den Ofen! Auf sie mit Gebrüll!" Da gab es nur ein Problem. Auch Hexen gehen mit der Zeit, und so entpuppte sich der Ofen leider als Mikrowelle, klein und kompakt, wie es eben in ist! Hänsel und Gretel versuchten ihr Bestes, die fette Hexe in die Mikrowelle zu kriegen, doch es funktionierte nicht. Während die Hexe dann schon per Email mit den Backstreet Boys über eventuelle Konditionen verhandelte, fiel Hänsel zum Glück noch rechtzeitig ein, was er letztens auf PREMIERE SPORTS WORLD in World of Wrestling gesehen hatte. Mit einem Sunset Flip mit anschließendem Huracanrana vom obersten Küchenregal schaffte er es dann auch tatsächlich, die Hexe in die Mikrowelle zu quetschen. Tür zu, und ran an die Moneten! Zwar war nicht mehr allzu viel Gold da, aber Kreditkasten und Travellers Cheques tun es ja auch. Und da die alte frau Eschenthal wie gesagt alle Backsteine mitgenommen hatte, blieb Hänsel und Gretel nichts anderes übrig, als per Handy ein Taxi zu rufen. Zum Glück waren die Taxitarife damals noch halbwegs erschwinglich! So kam jeder zu seinem Recht: Hänsels Vater konnte sich mit seiner neuen Digital-Videokamera endlich wieder im Kegelclub blicken lassen, Hänsels Mutter bekam ihren lang ersehnten Geschirrspüler, Gretel konnte sich endlich alle CDs der Backstreet Boys kaufen und Hänsel endlich seine Schulden bei Cracker-Jack zurückzahlen. Und so lebten sie glücklich und zufrieden... bis sich Egon Maisenbacher dieses neue Düsenflugzeug zulegte!
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